Liebe Geschwister, heute schimpfen wir mal auf die da oben. Das ist ja etwas, was wir doch eigentlich ganz gerne tun. Kaum ein Gespräch, das ich führe, kommt nicht damit aus, dass man mal über die da oben in der Politik oder auch der Kirche schimpft. Da macht keiner was richtig. Die kosten uns Geld und Nerven. Die sind nicht in der Lage eine anständige Energiepolitik zu machen oder Gesetze, die funktionieren. Oder hier im Ort. Wir hatten doch schon einmal ein Bürgerbegehren zum Kongresshaus. Das war doch eindeutig. Und was haben die da oben draus gemacht? Wir müssen heute noch einmal abstimmen. Mal sehen, was heuer dabei rauskommen wird, und ob sich die da oben daran halten. Ach, und von denen da im Landeskirchenamt wollen wir mal ganz schweigen, die uns mit immer neuen Vorschriften, Stellenkürzungen, Finanzkürzungen das Leben in den Gemeinden schwer machen. Die da oben haben doch Schuld daran, dass die Menschen die Kirche verlassen und nur noch so wenig Menschen zu uns kommen.
So, und dann regen wir uns so richtig schön auf und wir fühlen uns verstanden, weil wir nicht der einzige Mensch sind, der so denkt und empfindet, dass die da oben an allem schuld sind. Das ist doch so richtig entlastend, auf die da oben zu schimpfen.
Aber mal Hand aufs Herz: Ändert sich etwas, wenn wir ständig auf die da oben schimpfen?
Ich lese Euch mal den Predigttext von heute vor. Der steht im 1. Brief des Petrus, im 5. Kapitel, die Verse 1 bis 4:
Die Ältesten unter euch ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden Christi, der ich auch teilhabe an der Herrlichkeit, die offenbart werden soll:
Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist, und achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt, nicht um des schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund, nicht als solche, die über die Gemeinden herrschen, sondern als Vorbilder der Herde.
So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen.
Und ich füge mal noch etwas aus dem Vers 5 hinzu:
Alle miteinander bekleidet euch mit Demut; denn Gott widersteht dem Hochmütigen, aber dem Demütigen gibt er Gnade.
So, da haben wir es nun Schwarz auf Weiß. Habt Ihr mitbekommen, was der Apostel uns da ins Stammbuch geschrieben hat? – Jawoll, eine faustdicke Ermahnung. Und dafür benutzt er ein Wort, das wir heute so gar nicht mehr hören möchten, ein Wort, von dem viele heute gar nicht mehr wissen, was es bedeutet und wenn sie wissen, was es bedeutet, dann wollen sie es nicht, weil es nicht mehr so recht in unser freiheitliches Denken passt: Demut.
Demut klingt wunderbar. Es hat so einen warmen Klang, aber es ist uns fremd geworden. Es ist ein Wort, das aus dem Althochdeutschen kommt und „dienstwillig“ also „Gesinnung eines Dienenden“ bedeutet. Wir sollen demnach Diener sein.
Gut, manch Diener schimpft auch über seine Herrschaft. Aber Diener zu sein, ändert alle Verhältnisse. Ein Diener fordert nicht ein, sondern gibt.
Demut bedeutet die Anerkennung der Allmacht Gottes. Die Frage nach der Demut bedeutet damit auch die Frage nach meiner inneren Haltung zu Gott. Es geht also zuerst einmal um meine innere Haltung zu Gott und nicht zur Kirche.
Und dann haben wir noch ein wunderbares, altmodisches Wort gerade bei Petrus gehört: „Hochmut“, also Anmaßung, Überheblichkeit und Arroganz.
Da haben wir die beiden Gegenpole: Demut und Hochmut. Und mit welcher Eigenschaft erhalten wir von Gott Gnade? Na? Wer weiß es? – Genau, durch Demut.
Und jetzt frage ich Euch ganz offen und ehrlich: Wem von uns fällt das mit der Demut leicht? Der darf jetzt mal seine Hand heben.
OK, interessant. Damit habe ich fast gerechnet. Wenn auch nur einer die Hand gehoben hätte, hätte ich gerne von ihm gelernt, wie man das schafft. Mir fällt das mir der Demut nämlich nicht immer so leicht. Ich erwische mich schon immer wieder mal bei hochmütigen Worten. Aber ganz ehrlich: Ich kann mich dabei nur selbst erwischen, wenn meine Grundhaltung eine demütige ist. Aber in solchen Momenten des Hochmuts erkenne ich auch, dass ich nicht perfekt, dass ich fehlbar bin. Und genau diese Erkenntnis, bringt mich weiter.
Aber was hat das nun alles mit dem Meckern über die da oben zu tun? Auch das ist eigentlich wieder ganz einfach. Es geht wiederum einmal um mich selbst. Was kann ich eigentlich dazu beitragen, dass sich etwas ändert?
Genau! Ich kann mich engagieren. Bei der Gelegenheit weise ich gerne darauf hin, dass wir im Oktober des kommenden Jahres die Wahlen zum Kirchenvorstand haben. Da kann man kandidieren und sich daran beteiligen, die Gemeinde in eine gute Zukunft zu führen. Und was heißt beteiligen anderes als Teilhabe zu haben. Aber Achtung, wer im Kirchenvorstand ist, der herrscht nicht. Ich zitiere noch einmal aus dem Predigttext:
Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist, und achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt, nicht um des schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund, nicht als solche, die über die Gemeinden herrschen, sondern als Vorbilder der Herde.
Wer Verantwortung übernimmt, bekleidet nicht allein ein Amt, sondern eine verantwortungsvolle Aufgabe. Es geht nicht um schändlichen Gewinn. So eine Gemeinde ist ja kein kapitalistisches Unternehmen – wenn ich mal dieses böse Wort in den Mund nehmen darf, sondern eine Gemeinschaft. Und dabei geht es darum, aufeinander zu achten, dafür zu sorgen, dass es der Gemeinde gut geht, dass wir von Herzensgrund handeln. Auch so ein wunderbares, schönes altes Wort. Es soll von Herzen und damit in Liebe geschehen.
Und jetzt kommt das alles Entscheidende: Es geht nicht darum, über die Gemeinde zu herrschen, sondern darum, Vorbilder der Herde zu sein.
So, und damit komme ich wieder auf das Thema Hochmut zurück. Sind wir besser als die da oben, wenn wir so über die da oben meckern und uns echauffieren? Nein! Wir begeben uns damit auf geradem Wege in den Hochmut. Und wir haben ja heute noch einmal nachdrücklich von Petrus gehört, dass Gott dem Hochmütigen keine Gnade gibt, sondern dem Demütigen.
Ach, wie ärgerlich. Jetzt darf ich mich nachher, wenn unsere Freunde zum Kaffee kommen, nicht mehr über die Politikerinnen und Politiker aufregen.
Aber Spaß beiseite, was heißt denn das, wenn es wieder um Demut geht? Ich hatte es ja vorhin schon gesagt, dass Demut meine innere Haltung zur Allmacht Gottes ist. Wenn also Gott, wenn Jesus Christus unser Oberhirte ist, oder wie Petrus sagt, Erzhirte, dann sind wir ja seine Schafe. Und was macht ein Hirte mit seinen Schafen?
Ich frage Euch: Was macht ein Hirte für seine Schafe?
Genau: Er sucht die fetten Weiden. Er sorgt sich darum, dass sie gutes Futter finden, dass sie Wasser finden, dass sie gut gepflegt werden, um gute Wolle und gute Milch für einen guten Käse zu geben.
Mit anderen Worten: Wir sind gut genährte Schafe. Unser Hirte Jesus Christus hat uns genährt mit Nächstenliebe, Verantwortung, Hoffnung und dem Willen zur Zukunft. Und als gut genährte Schafe können wir Vorbilder für andere werden. Wenn wir dem Vorbild Jesu folgen, werden wir selbst zu Menschen, die Vorbild für andere werden können. Wenn wir Vorbild sind, können andere Menschen gewissermaßen „Nachbilder“ werden, also solche, die sich an den gleichen christlichen Maßstäben orientieren und so selbst wieder anderen zum Vorbild werden können.
Und nur, weil es seit zweitausend Jahren so läuft, sind wir heute hier in der Johanneskirche zusammengekommen, um das Wort Gottes zu hören, uns anregen und inspirieren zu lassen.
Und damit komme ich wieder zum Meckern über die da oben. Es gibt ja auch in unserer Gemeinde Menschen, die sich darüber beschweren, dass nicht mehr so viele Menschen in den Gottesdienst kommen wie früher, dass mehr Plätze frei als besetzt sind. Und dann gelangen von Zeit zu Zeit auch Beschwerden bei uns Pfarrerinnen und Pfarrern. Aber ganz ehrlich: Wenn unsere Kirchen heute nicht so voll sind wie früher, dann liegt es an jedem einzelnen von uns.
Jeder von uns ist herzlich von Jesus Christus dazu eingeladen, von ihm zu erzählen, von seinem Glauben zu erzählen, welche Kraft und Hoffnung er aus dem Glauben zieht, was man verändern kann, wenn man miteinander Nächstenliebe übt und gemeinsam die Verantwortung übernimmt, die uns Gott für seine Schöpfung in die Hand gegeben hat. Nur wenn wir gemeinsam und damit auch Ihr jeden Tag für diese Herde werbt und begeistert, wird es wieder eine große Herde werden. Denn Jesus hat nicht gesagt, dass wir darauf warten sollen, dass die da oben etwas anders machen, sondern dass wir selbst etwas anders machen müssen.
Denkt noch einmal an das, was wir heute in der Epistel gehört haben, die ebenfalls aus dem 1. Brief des Petrus stammt:
Christus hat für euch gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, dass ihr sollt nachfolgen seinen Fußstapfen.
Denn Ihr wart wie irrende Schafe; aber ihr seid nun umgekehrt zum Hirten und Bischof eurer Seelen.
1. Petrus 2, 21.25
Wir – und damit nicht nur die da oben – sollen den Fußstapfen Jesu folgen. Erst, wenn wir, wenn sich jeder einzelne von uns so auf den Weg macht, wird sich etwas ändern. Wir haben also keinen Grund, über die da oben zu meckern, wenn wir uns und Gott gegenüber ehrlich sein wollen, sondern nur über uns selbst. Es liegt also auf der Hand, welche Konsequenz wir heute aus der Botschaft des Predigttextes ziehen.
Amen.
Pfarrer Martin Dubberke, Predigt über 1. Petrus 5, 1-4 (Perikopenreihe V) am Sonntag Misericordias Domini, 23. April 2023 in der Johanneskirche zu Partenkirchen
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