Liebe Geschwister, als Regina und ich diesen Gottesdienst miteinander vorbereitet haben, waren wir mit der Textauswahl für heute nicht glücklich. Also begaben wir uns auf die Suche nach einem Text über Johannes den Täufer, der uns beiden gefiel. Regina fand ihn, aber ihr gefielen nur die ersten beiden Verse. Das habt Ihr ja gerade gemerkt. Und sie hat eben mit Verve und Begeisterung darüber gepredigt.
Ich habe dann noch ein wenig überlegt, welchen Text ich für meinen Predigtteil nehmen könnte und dann entschied ich mich einfach über die nächsten Verse dieses Textes zu predigen:
In seiner Hand ist die Worfschaufel, und er wird die Spreu vom Weizen trennen und den Weizen in seine Scheune sammeln, die Spreu aber wird er mit unauslöschlichem Feuer verbrennen. Und mit vielem andern mehr ermahnte er das Volk und predigte ihm.
Lukas 3, 17-18
Toll, jetzt kommt der Spaßverderberteil der Predigt. Es tut mir schrecklich leid, aber ich muss mal wieder ernst werden. Aber dass seid Ihr ja schon von mir gewohnt, dass ich Euch mit meinen Predigten immer ein wenig fordere. Aber wisst Ihr was? – Das ist eigentlich Johannes pur.
Johannes war der Mahner in der Wüste, der Mann, der zur Umkehr aufgerufen hat. Johannes war der Mann, der alle Missstände angesprochen hat. Johannes hat auch nicht die herrschende Klasse geschont. Das hat ihn am Ende ja auch sein Leben gekostet.
Unbequem zu sein, die Wahrheit zu sagen, ist eben nicht ganz ungefährlich. Wir bekommen ja mit, wie das zum Teil in anderen Ländern läuft, wenn man unbequem wird. Wie viele Menschen sind in den vergangenen Monaten allein im Iran hingerichtet worden? Denken wir an solche Männer wie Nawalny, der in einem russischen Arbeitslager einsitzt und jetzt mit Sicherheit im aktuellen Prozess zu weiteren dreißig Jahren Arbeitslager verurteilt werden wird.
Die Wahrheit zu sagen, ist auch in unseren Breiten manchmal nicht so ungefährlich. Schon mal dem Chef ungeschönt die Meinung gesagt? – Wer hat’s überlebt?
Johannes ruft zur Umkehr auf. Und er tut das mit drastischen Bildern:
In seiner Hand ist die Worfschaufel, und er wird die Spreu vom Weizen trennen und den Weizen in seine Scheune sammeln, die Spreu aber wird er mit unauslöschlichem Feuer verbrennen.
Johannes teilt die Menschen in zwei Gruppen ein: Spreu und Weizen. Mehr Typen gibt es nicht. Tja, und wenn Gott am Ende mit der Worfschaufel Spreu und Weizen voneinander trennen wird, wird er die Spreu im unauslöschlichen Feuer verbrennen. Futsch – so sehr verbrannt, dass nicht einmal mehr Asche bleiben wird. Die Waldbrände, die Erderwärmung halten uns deutlich vor Augen, was geschieht, wenn wir nicht umkehren. Wir werden wie Spreu verschmurgeln. Und so stellt Johannes den Menschen damals wie heute die gleiche Frage, was sie denn sein wollen: Weizen oder Spreu?
Johannes sagt, dass wir nicht jammern sollen, sondern ganz praktisch umkehren sollen. Und das, was mich so sehr an Johannes fasziniert, ist, dass die Menschen in Massen zu ihm gekommen sind. Er muss etwas gehabt haben, was ich auch gerne hätte, nämlich die Menschen davon zu überzeugen, auf den richtigen Weg zurückzukommen, Gott zu folgen, Jesus Christus nachzufolgen und so diese Welt zu einem Ort des Friedens zu machen. Zu einem Ort, wo die Wunden der Kriege, der Klimaschäden, der Umweltschäden heilen können.
Bei Markus heißt es über Johannes:
Und es ging zu ihm hinaus das ganze judäische Land und alle Leute von Jerusalem und ließen sich von ihm taufen im Jordan und bekannten ihre Sünden.
Markus 1,5
Was für eine wahnsinnige Vorstellung. Also, ich habe in diesem Jahr fünf Taufen gehabt. Und wie sah es bei Dir aus, Regina? Also, weit davon entfernt, ganze Landstriche oder gar Städte an einem Tag zu taufen. Und noch unvorstellbarer, dass ganze Landstriche ihre Sünden bekannt haben. Stellt Euch das mal vor.
Im Moment ist es ja absolut in, große Tauftage auszurufen, wo die Menschen sich in Seen oder Flüssen taufen lassen. Und das funktioniert sogar ganz gut. Vielleicht sollten wir hier bei uns mal überlegen, ob wir nicht einfach auch einen solchen Tauftag in der Loisach oder der Partnach machen. Flüsse und Seen haben wir ja genug.
Aber was wäre, wenn wir mal einen großen Sündenbekenntnistag einberufen würden? Würden die Menschen dann auch zu uns strömen? Sollten wir es nicht einmal auf einen Versuch ankommen lassen?
Ich glaube, wir sind manchmal einfach zu feige, das zu wagen, weil wir selbst nicht genug an unsere eigene Überzeugungskraft und die Attraktivität unseres Glaubens, unseres Gottes oder auch unserer Kirche glauben. Und all das vielleicht nicht ernst genug nehmen.
Wir haben alles in der Hand, um diese Welt zu einer guten Welt werden zu lassen, einer Welt, in der Friede, Freiheit und Auskömmlichkeit herrschen. Und ich glaube – ach, was – ich bin fest davon überzeugt, wenn wir so miteinander auftreten und in die Welt da draußen vor unserer Kirchentür hinausgehen, dass die Menschen sich davon überzeugen lassen könnten. Der Unterschied zwischen uns und so einer Partei der vermeintlich einfachen Lösungen, die gerade in Umfragen in die Höhe prescht, ist der, dass wir die nicht mit der Angst und der Angstmacherei arbeiten, sondern mit der Hoffnung und der Zusage Gottes. Wenn es uns miteinander gelingt, den inneren Johannes in uns zu wecken, und mit dieser Begeisterung die Menschen für die Umkehr zu begeistern, was glaubt Ihr, wie voll mit einem Male unsere Kirchen wären.
Uns wurde in der Taufe genauso wie Jesus Christus, der Heilige Geist geschenkt. Wir können das hier hinten bei uns im Kirchenfenster sehen, wie der Heilige Geist auf Jesus Christus übergeht. Und wer den Geist Gottes geschenkt bekommen hat, der kann diese Begeisterung auch auf andere überspringen lassen.
Und ich glaube, dass die Antwort auf die Frage von Johannes, ob wir Spreu oder Weizen sein wollen, eigentlich ganz einfach ist, oder? - Lasst uns also Weizen sein!
Paul Gerhardt hat einst gedichtet:
Der Weizen wächset mit Gewalt;
darüber jauchzet jung und alt
und rühmt die große Güte
des, der so überfließend labt
und mit so manchem Gut begabt
das menschliche Gemüte,
das menschliche Gemüte.
In meinem Pfarrgarten wächst auch Weizen, wie ein Symbol der Liebe und des Lebens. Jürgen Henkys hat es so wunderbar nachgedichtet:
Liebe wächst wie Weizen,
und ihr Halm ist grün.
Die Liebe und die Hoffnung. Gott schenke uns, dass wir in beidem wachsen und gedeihen.
Amen.
Pfarrer Martin Dubberke, Predigt über Lukas 3,17-18 am Vorabend zum Johannistag, 23. Juni 2023 in der Johanneskirche zu Partenkirchen
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