Liebe Geschwister, seit mehr als einem Jahr beten wir um Frieden in der Ukraine, beten wir darum, dass Putin endlich einsichtig wird, seine Truppen abzieht und diesen Krieg beendet.
Und was ist geschehen?
Wir beten auch um die Gesundheit uns nahestehender Menschen, wir bitten darum, den Tod von ihnen abzuwenden.
Und was ist geschehen?
Noch immer haben wir den Krieg. Noch immer sterben Kinder, Frauen, Männer, werden Familien auseinandergerissen. Und ich erlebe, dass Menschen, um deren Gesundung ich gebetet habe, sich auf ihren Tod vorbereiten.
Was stimmt da nicht? Was habe ich da nicht verstanden? Was haben wir am Beten nicht verstanden? Warum beten wir dann noch?
Weil Beten Hoffnung ist. Wer betet, hofft, dass Gott einen erhört. Aber Gott erhört uns anders, als wir manchmal glauben.
Ich kenne Geschichten von Menschen aus unserer Gemeinde, die mich berühren und bewegen, weil sie wirklich ohne den Glauben nicht überlebt hätten, weil der Glaube sie dazu gebracht hat, sich ganz und gar in Gottes Hand zu begeben, und sie dann erlebt haben, wie Gott in ihrem Leben alles wunderbar gefügt hat.
Wie war das noch einmal mit dem, was Paulus seinen Hebräern geschrieben hat?
Und er – also Jesus Christus – hat in den Tagen seines irdischen Lebens Bitten und Flehen mit lautem Schreien und mit Tränen vor den gebracht, der ihn aus dem Tod erretten konnte; und er ist erhört worden, weil er Gott in Ehren hielt. So hat er, obwohl er der Sohn war, doch an dem, was er litt, Gehorsam gelernt. Und da er vollendet war, ist er für alle, die ihm gehorsam sind, der Urheber der ewigen Seligkeit geworden.
Hebräer 5,7-9
Wir erinnern uns an die Szene im Garten Gethsemane, wie Jesus seinen Vater darum gebeten hat, den Kelch an ihm vorübergehen zu lassen:
Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!
Matthäus 26,39
Jesus hat seinem Vater anvertraut, was ihm das Liebste wäre, nämlich weiterzuleben und weiter mit seinen Jüngern zusammen zu sein, doch er hat sich angesichts seines nahenden Todes ganz und gar in die Hand seines Vaters begeben, sich ihm anvertraut und gesagt „doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst.“ – Das erinnert doch ganz stark an das Vaterunser:
Dein Wille geschehe
wie im Himmel so auf Erden.
Manchmal bleibt uns – glaube ich – nichts anderes übrig, als den Willen Gottes zu akzeptieren, auch wenn es schwerfällt. Und dann ist das Gebet der Weg vom eigenen Willen zum Willen Gottes hin. Das ist etwas, was mich an Jesus Christus immer wieder beeindruckt, wie er seinen Tod, sein Sterben annehmen kann. Er klammert nicht. Und er klammert nicht, weil er sich von Gott, seinem Vater getragen weiß.
Vielleicht sollten wir in unserem Leben viel öfter nach dem Willen Gottes fragen, als ihn um die Erfüllung unseres Willens zu bitten? Lieber Gott, was willst Du von mir? Und wenn wir diese Frage gestellt haben, sollten wir vielleicht ganz lange schweigen, um offen für seine Antwort zu sein.
Wir haben es ja nicht so sehr mit dem Wort „Gehorsam“. Das hat vielleicht auch etwas mit der Geschichte unseres Landes zu tun. Aber wenn ich mich mit Soldaten unterhalte und das Gespräch auf das Thema Gehorsam kommt, ist es ganz leicht zu verstehen, warum Gehorsam so wichtig ist. Es ist ja nicht die Aufgabe des eigenen Willens, Wollens, Denkens, sondern es ist der Schutz eines jeden einzelnen. Bin ich nicht gehorsam, gefährde ich das Leben anderer.
Und genau aus diesem Grunde hat sich Jesus Christus dem Willen seines Vaters anvertraut und unterstellt, weil es um unser aller Leben ging und geht. Hätte Gott den Kelch an seinem Sohn vorübergehenlassen, würden wir heute nicht hier in der Johanneskirche in unserem schönen Partenkirchen zusammengekommen sein, um miteinander Gottesdienst zu feiern, Kraft zu schöpfen, unsere Hoffnung zu erneuern und unseren Glaubensgehorsam stärken zu lassen.
Jesus Christus hat in der Situation seines Leidens Gehorsam gelernt. Er ist dem Unausweichlichen nicht ausgewichen, sondern hat sich ganz und gar dem Willen seines Vaters, der auch unser Vater ist, anvertraut.
Und Paulus sagt, wenn wir uns an diesem Gehorsam orientieren, wenn wir Jesus gehorsam sind, werden wir Seligkeit erleben.
Das gilt für mich ganz privat, wenn ich mich mit meinem Leiden ihm anvertraue, aber es gilt auch für die ganze Welt.
Dass es diesen Krieg gibt, liegt auch daran, dass zu viele Menschen aus dem Gehorsam gefallen sind und sich weigern, Gott gegenüber gehorsam zu werden und zu sein.
Das bedeutet nun, nicht das Beten aufzugeben, sondern immer weiter darum zu beten, dass die Verantwortlichen wieder Gott gegenüber gehorsam werden. Das bedeutet aber auch, für sich selbst zu beten, dass man dem Leiden gegenüber nicht gleichgültig wird, nicht abstumpft. Das gilt nicht nur dem Leid gegenüber, das sich in der weiten Welt ereignet, sondern auch vor unseren eigenen Türen.
Sich dem Willen Gottes im Gebet zu unterstellen, sich ihm anzuvertrauen, bedeutet auch aus dem Willen Gottes seine Kraft für das eigene Leben zu bekommen. Das wünsche ich Euch allen, jedem und jeder einzelnen von Euch.
Amen.
Pfarrer Martin Dubberke, Predigt am Sonntag Judika über Hebräer 5, 7-9, Perikopenreihe V, am 26. März 2023 in der Johanneskirche zu Partenkirchen
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