Liebe Geschwister,
es ist ein Segen, dass wir hier in unserer Johanneskirche sitzen können, miteinander Gottesdienst feiern, zwar ein wenig frieren – deshalb haben wir ja schon vor dem Gottesdienst einen Glühwein zum Aufwärmen angeboten und im Anschluss kann man sich noch einmal nachschenken lassen – und es ist ein Segen, dass wir nicht einen plötzlichen Alarm fürchten müssen, weil es einen Raketenangriff gibt.
Aber auch, wenn über uns keine Raketen vom Himmel fallen, wie an anderen Orten der Erde, ist unser Weihnachtsfest, davon beeinflusst. Wir alle oder zumindest viele von uns kennen inzwischen Menschen, die der Krieg zu uns getrieben hat, kennen ihre Geschichten, die Bilder ihrer zerstörten Häuser und Wohnungen, die Sorge um die Menschen, die sie zurücklassen mussten. Das wirkt sich auf die ganze Welt aus. Und viele von uns sorgen sich um die Zukunft, auch weil sie das Vertrauen in die Menschen verloren haben, die regieren.
Ach, Ihr Lieben, wir haben die Heilige Nacht. Jesus Christus ist geboren. Grund zur Freude. Wir sollten also jubeln. Und nicht über Politik nachdenken. Aber was soll ich machen? Für heute Nacht steht nun einmal dieser Predigttext aus dem Propheten Hesekiel in der Ordnung der Predigtexte. Und gerade gestern habe ich vom Chefredakteur der Tageszeitung „die Welt“ gehört, dass die Menschen aus der Kirche austreten – wohlgemerkt aus der Evangelischen Kirche -, weil wir nur noch über grüne Politik predigen aber nicht mehr über den Glauben.
Tja, volle Breitseite kurz vor Heiligabend? Was soll man da machen? Ja, was soll ich da machen? Na, sich einfach mal die Welt mit den Augen des Glaubens anschauen und mit dem Herzen des Glaubens erfassen.
Und dann landen wir mit einem Male doch wieder beim Propheten Hesekiel, der 598 vor Christus zu den ersten Israeliten gehörte, die unter König Nebukadnezar II. nach Babylon verschleppt wurden. Israel war damals ein besetztes Land. Die Menschen wurden verschleppt und zwangsumgesiedelt. Hesekiel hat sein Heimatland nicht mehr wiedergesehen. Sein Grab liegt im heutigen Irak und ist Teil der Al-Nuchailah-Moschee.
Berühmt geworden ist Hesekiel vor allem, weil er den mit ihm im Zwangsexil Lebenden Trost spendete, den Wiederaufbau Jerusalems und des Tempels weissagte und die Rückkehr Gottes prophezeite. Er zog seine Kraft ausschließlich aus seinem Glauben an den einen Gott.
Wir können also heute viel von Hesekiel lernen und das besonders heute Nacht, weil wir Christinnen und Christen nämlich seine Ankündigung:
Und ich will ihnen einen einzigen Hirten erwecken,
der sie weiden soll, nämlich meinen Knecht David.
Hesekiel 34,23
als Ankündigung Jesu Christi interpretieren. Der einzige Hirte, der das Volk weiden soll.
Wie soll das geschehen? Wie soll das funktionieren? Was bedeutet das?
Das liegt doch eigentlich auf der Hand. Wenn Jesus Christus der einzige Hirte ist, dann steht er auch für den gemeinsamen Sinn. Er verbindet alles und überbrückt alle Differenzen. Der einzige Hirte macht deutlich, dass man als Herde nur dann vorwärtskommt und überlebt, wenn nicht lauter kleine Hirten mit Teilen der Herde in andere Richtungen wollen, um ihren persönlichen Vorteil zu haben oder gar ihre Macht auszubauen.
…mein Knecht David soll der Fürst unter ihnen sein…
Hesekiel 34, 24
Leider wird von manchen Regierenden – aber auch anderen Menschen – damit immer die Idee der Weltherrschaft in einer Person verbunden. Wir kennen ja solche Persönlichkeiten aus Geschichte und Gegenwart. Aber wer glaubt, die Weltmacht an sich reißen zu wollen, zu können oder zu müssen, irrt. Denn es geht nicht darum, dass ein Mensch, die Welt regiert, sondern einzig und allein Jesus Christus.
Es ist also ausgerechnet dieses kleine, verletzliche Baby in jenem Stall von Bethlehem, das die Welt retten, heilen und führen soll. Wie soll das funktionieren?
Tja, und genau hier liegt das Problem. Die Menschen haben angefangen, mit dem Glauben aufzuhören. Wer glaubt, dass Glaube nichts bringt, geht den ersten Schritt in die Irre. Und diesen sind Millionen, wenn nicht sogar Milliarden Menschen inzwischen gegangen. Es ist genau das, wovor Hesekiel seine Leute gewarnt hat, den Glauben und damit sich selbst aufzugeben.
Ohne meinen Glauben, wäre ich an und in dieser Welt schon längst verzweifelt und gescheitert. Mein Glaube lässt mich Dinge sehen und erkennen, die ich ohne ihn anders sehen oder gar nicht erkennen würde.
Wenn ich also so viele Menschen an der Tafel sehe, dann weiß ich, dass etwas in dieser Gesellschaft nicht funktioniert. Jetzt könnt Ihr natürlich sagen, dass Ihr das auch ohne den Glauben erkennen könnt. Das stimmt, aber mit meinem Glauben erkenne ich die Haltung, die dahintersteht und damit die Sünde. Ihr erinnert Euch daran, was ich über die Kleinen Hirten gesagt habe, die sich nicht an den großen Hirten halten wollen, sondern eigene Ziele verfolgen. Diese sind immer zu Lasten der Gemeinschaft in einem Ort, in einer Region, in einem Land, in der Welt. Und das führt am Ende zu Unfrieden. Unfriede in einem Ort, in einer Region, einem Land, der Welt. Da ist der Friede, auch und vor allem der soziale Friede gefährdet. Und je länger die Schlangen an unseren Tafeln werden, desto gefährdeter ist unser System.
Ein Prophet wie Hesekiel würde sagen, dass man sich von Gott entfernt habe und damit keine Zukunft mehr hat. Das sage ich als Pfarrer auch so, aber glaubt Ihr mir das?
Hesekiel sagt sehr deutlich, was die Folge ist, wenn es einen Hirten gibt, nämlich Frieden, einen Bund des Friedens.
Frieden bedeutet, dass man eines gemeinsamen Sinnes und Willens ist, eines Sinnes in Jesus Christus, der gesagt hat: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Mit dem Kind in der Krippe hat Gott seine Zusage aus Hesekiel erfüllt:
Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide,
und ich will euer Gott sein, spricht Gott der Herr.
Hesekiel 34, 31
Gott will! Und nun stellt sich die Frage, ob auch wir wollen. Es liegt jetzt an uns, ob wir die Hand, die Gott uns durch Jesus ausgestreckt hat, annehmen wollen oder nicht. – Also, ich habe mich schon lange entschieden. Und wie sieht’s bei Euch aus? Was werdet Ihr tun? Es liegt nun an Euch.
Amen.
Pfarrer Martin Dubberke, Predigt in der Christmette 2022 in der Johanneskirche zu Partenkirchen über Hesekiel 34,23-31, Perikopenreihe V
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