Loslassen

Pfr. Martin Dubberke
Bildrechte Johannes Dubberke

Heute kann man bei der Losung ganz schnell zu falsche Schlussfolgerungen kommen. Was bedeutet es denn, wenn Gott mir bei allen Werken meiner Hände Glück geben wird? Ein Schelm, der gerade nicht an einen Freifahrtschein denkt. Aber genau an dieser Stelle gelangen wir heute an die Grenze des Espressos der Bibellese, der Losung.

Der Herr, dein Gott, wird dir Glück geben zu allen Werken deiner Hände.
5. Mose 30,9

Ich glaube, dass man immer sehr vorsichtig mit einem einzelnen Bibelvers umgehen muss. Jede Losung ist aus dem Kontext herausgerissen. Das Umfeld fehlt, der Zusammenhang ist nicht sofort erkennbar und vielleicht spricht auch ausgerechnet dieser Vers in mir etwas an, das mich bestätigt, worin mich dieser Vers eigentlich nicht bestätigen sollte. Das ist der Grund, weshalb ich mir immer wieder auch das Umfeld des Verses anschaue. Und wenn man die Losungen nicht als gedrucktes Exemplar hat, sondern wie ich als APP auf dem Tablet oder Smartphone, dann berührt man mit dem Finger einfach nur die Versangabe und schon kann man die Losung oder den Lehrtext im Zusammenhang lesen, weil sich dann die Bibel öffnet. Das ist sehr bequem und verleitet daher vielleicht öfter dazu, das zu tun, wozu Losung und Lehrtext eigentlich einladen wollen: Die Bibel zu lesen. Natürlich geht das auch mit der gedruckten Ausgabe der Losungen. Man legt sich dann einfach eine Bibel daneben.

Tja, und heute habe ich wieder einmal genau das getan. Ich mit meinem Zeigefinger die Versangabe der Losung berührt und mir den Vers in seinem Kontext angeschaut. Und schon der erste Blick war überraschend, denn die Überschrift lautet: „Die Wahl zwischen Leben und Tod.“ – Damit rechnet man doch nicht, wenn man diesen wunderbaren Losungstext liest, dass es gleich so an die Existenz geht. Aber genau das ist es, was ich meine. Man muss immer ein wenig genauer hinschauen. Das passt ja auch irgendwie am Sonntag Okuli – also am Sonntag der Augen. Das Wort oculi kommt aus dem Lateinischen und ist der Plural von Augen. Doch wie kommt man darauf, einen Sonntag in der Passionszeit so zu benennen? Es ist das erste Wort des Eingangsverses der Liturgie dieses Sonntags:

Oculi mei semper ad Dominum.
Meine Augen schauen stets auf den Herrn.
Psalm 25,15

Und genau das steht im Hintergrund der Losung. Denn es ist keine glückliche Hand möglich, wenn ich nicht auf den Herrn achte. Der Vers vor der Losung lautet nämlich:

Du aber wirst umkehren und der Stimme des Herrn gehorchen, dass du tust alle seine Gebote, die ich dir heute gebiete.

Da haben wir es! Genau das ist die Voraussetzung, damit Gott mir Glück zu allen Werken meiner Hände gibt. Ich muss auf die Stimme des Herrn hören und ihr gehorchen. Also, mal wieder das Thema, das uns nahezu jeden Tag beschäftigt. Die Welt sähe anders aus, wenn wir auf Gott hören würden und seine Gebote befolgen würden.

Und ganz ehrlich – genau darum geht es: Sich jeden Tag mit dem Gebot Gottes zu beschäftigen und ihm zu folgen. Das ist die Herausforderung unseres Lebens. Und wo uns das gelingt, merken wir selbst, dass sich Dinge glücklich wenden. Und dann wird deutlich, dass Gott es ist, der in uns beides bewirkt: Das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen.

So wie es uns heute der Lehrtext nachdrücklich vor Augen hält:

Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.
Philipper 2,13

Und das geschieht jeden Tag neu. Und genau deshalb ist es so wichtig, sich den Wochenspruch zu Herzen zu nehmen.

Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.
Lukas 9,62

Damit wird aber noch etwas anderes deutlich. Es geht um die Zukunft, nicht um das, was vergangen ist. Ich bin die Wege meines Lebens gegangen und sie haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Und ich bin neugierig wohin mich mein Weg noch führen wird. Doch immer zurückzuschauen, ist hinderlich, weil so der Pflug aus der Spur kommt. Aber zugleich ist es wichtig, um die eigene Geschichte zu wissen. Das sage ich als jemand, der mehrere Jahre die Erinnerungs- und Begegnungsstätte Bonhoefferhaus in Berlin geleitet hat. Sich zu erinnern ist wichtig. Über die Erinnerung ins Gespräch zu kommen und was sie für heute bedeutet, ist auch wichtig. Aber, wenn ich im Heute leben möchte und in die Zukunft gehen will, darf ich nicht in der Vergangenheit verharren, immer nur von gestern träumen. Wie oft höre ich, wie es früher war, dass es früher immer besser war, und damit steht sofort die Frage im Raum: Warum ist es heute nicht so? – Es ist heute nicht so, weil es heute anders ist. Andere Menschen, andere Bedürfnisse, andere Erkenntnisse, andere Erfahrungen, weniger Personal und vieles andere mehr oder auch weniger.

Darin liegt etwas Blockierendes. Und es liegt zugleich noch etwas ganz Gefährliches darin, nämlich die Zukunft zu verlieren. Ja, früher war alles anders. Manchmal erlebe ich mich auch dabei, wie alte und warme Gefühle in mir aufsteigen und ich denke: „Ach, das war doch irgendwie schön.“ Ja, und manchmal trauere ich auch um das Vergangene. Ich trauere auch zuweilen um meine alte Heimat. Ja, ich trauere um mein altes West-Berlin, das so anders war als heute, das eine so andere Stadt und ein so anderes Lebensgefühl war. Aber lag es vielleicht auch daran, dass ich damals ein anderer war, ein junger Mensch, der dabei war, sich zu finden? Dieses alte West-Berlin lebt in meinem Herzen weiter, doch es ist vergangen. Ich kann nicht einfach ins Rathaus gehen und sagen: „Du, ich will es wiederhaben!“

So ist es mit der Kirche auch. Je mehr wir uns in der Vergangenheit aufhalten, je weniger wir uns davon lösen, desto mehr Kraft verlieren wir für die Zukunft unserer Kirche, desto weniger vertrauen wir in die Kraft, die uns Gott verliehen hat, desto mehr verzagen wir und vertrauen nicht mehr auf das, was uns Gott versprochen hat, wenn wir ihm folgen, auf ihn hören, seine Gebote leben, wird es so sein:

Der Herr, dein Gott, wird dir Glück geben zu allen Werken deiner Hände.
Mose 30,9

Genau darauf dürfen wir vertrauen. Wenn wir uns darauf einlassen, werden wir erleben, dass sich etwas ändert, nämlich zum Guten. Und genauso dürfen wir uns auch im Hinblick auf unsere Kirche einlassen.  Wenn wir das tun, werden wir erleben, was es bedeutet, dass Gott uns Glück geben wird zu allen Werken unserer Hände.

Pfr. Martin Dubberke, Gedanken zu Losung und Lehrtext vom 12. März 2023

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