Jede Frau im Iran ist sich im Klaren: das könnte ich sein. Eine Haarsträhne, versehentlich aus dem Kopftuch gerutscht? Beschimpft, geschlagen, getötet. Mit wilder Wut schneiden sich die Frauen im Iran die Haare ab: ein Schrei nach Leben, nach Selbstbestimmung, nach Freiheit. Überall auf der Welt tun es ihnen andere Frauen nach.
Wenn es ein Mensch ist, gegen den ich kämpfe, ist es schon schwer genug.
Aber ein ganzes System, eine ganze Gesellschaft, die es duldet, ja erlaubt, mich zu töten? Und das auch noch rechtfertigt mit Gott! Welch eine Blasphemie! Das erste Gebot der zehn lautet nicht umsonst: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes nicht missbrauchen.
Was einer Frau als Opfer passieren kann, kann jeder Frau passieren. Was ein Mann in diesem System tut, dulden und tragen alle Männer mit. Alle machen sich schuldig. „Da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer“ (Psalm 14) Das Gefühl in diesem System ständig umzingelt, bedroht und gefährdet zu sein, stelle ich mir atemberaubend vor. Wie kann eine Frau einen Mann noch ansehen, ohne ihn nicht als potentielle Bedrohung zu erleben?
Was geht mich das hier in Deutschland an? Ich bin eine Frau. Ich leben in einer Gesellschaft, die auf tausendfache Weise duldet, dass Frauen und Männer nicht wie gleich wertvolle Wesen behandelt werden.
Wenn ich mit Männern über dieses Thema rede, wird es oft hitzig. Ja, Männer tun Frauen Gewalt an, was hat das mit mir zu tun? Weil Sie ein Mann sind.
Bin ich, egal ob Mann oder Frau, in Kollektivhaft? Nein. Aber in Kollektivverantwortung.
Was einer Frau passiert, passiert allen Frauen. Was einem Mann passiert, passiert allen Männern. Wenn eine Frau die Grenze nicht richtig zieht, müssen es alle Frauen ausbaden. Wenn ein Mann die Grenze nicht richtig zieht, müssen es alle Männer ausbaden. Wir sind füreinander verantwortlich, wir sind unseres Bruders und Schwesters Hüter.
Meine Liebe, meine Fürsorge, mein Mit-Leiden, meine Gebete um Frieden und gegenseitige Vergebung, meine Sehnsucht nach endlich Frieden zwischen Mann und Frau, meine Solidarität und Bewunderung
...für die Frauen im Iran - ich kann sie zur Zeit nur zeigen durch meine abgeschnittenen Haare. Wenn wir uns den Verletzungen zwischen Mann und Frau nicht stellen, wenn wir unsere Opfer- und Täteranteile nicht angemessen anerkennen und Umkehren, Buße tun (nicht anderes heißt Buße! Umkehr!) und einander von Herzen vergeben, werden wir, davon bin ich überzeugt, auf dieser Welt keinen Frieden haben.
Ohne Frieden zwischen Mann und Frau und allen, die dazwischen oszillieren, ohne Frieden zwischen den Ebenbildern Gottes, wird es keinen Weltfrieden geben. Bitte beten Sie mit für alle Menschen auf dieser Welt, die erleben müssen, dass sie nicht als ein unendlich kostbares Ebenbild Gottes gesehen und behandelt werden.
In Christus verbunden
Pfarrerin Birgit Schiel
Nicht alle Menschen in unserer Gemeinde haben Internet. Wir legen daher in unseren Kirchen ausgedruckte Exemplare unserer Gemeindewoche mit dem ANgeDACHT, den aktuellen Terminen und Neuigkeiten aus der Gemeinde aus. Gerne können Sie die aktuelle Gemeindewoche runterladen und einem Nachbarn oder einer Nachbarin mit einem kleinen Gruß in den Briefkasten stecken.