Loslassen - Müssen

Kreuz an der Johanneskirche in den Farben der Ukraine
Bildrechte Martin Dubberke

Mein Name ist Marina. Ich komme aus einer kleinen Stadt im Osten der Ukraine (Region Kharkiv, Distrikt Kupyansky, Stadt Kovsharovka) , die laufend unter der Besatzung der russischen Föderation steht.

Ich habe lange Zeit in Kyiv gelebt, dort wurde ich vom Krieg, der am 24.2. 2022 begann, am Vorabend meines Geburtstags überrollt.

 

KRIEG

Dieses Wort verband ich in meinem Kopf immer mit Geschichte...! Mit Ereignissen, über die man in Büchern lesen und im Kino Filme sehen konnte.

Was sich nie wiederholen könnte! Aber es stellte sich heraus, dass der FRIEDE etwas sehr Fragiles ist …und in einer Sekunde „zerkrümmelt“ ...

Und mit diesem Augenblick wird deine Welt nicht mehr die gleiche sein, die sie gewesen ist: …

Die Art und Weise, sie zu fühlen, in ihr zu leben, zu träumen..., deine Familie zu umarmen, ... deine Freunde zu treffen, …. das zu tun, was du gerne machst, inklusive deiner kreativen Ideen und dem Schmieden neuer Pläne....

Am 24. Februar, um 4 Uhr nachts wachte ich durch Sirenengeheul und Explosionen auf. Mein Nachbar stürzte mit den Worten in mein Zimmer:

„Krieg! Wir sollten in den Bombenschutzraum gehen.“

Ich war höchstens dazu fähig, mich, um mein Apartment zu bewegen und wusste nicht, was ich tun sollte, …. wen anrufen ?....Wohin zu gehen? ….Und was würde sich im nächsten Augenblick ereignen? …

Ich verließ dann Kyiv am 12.Tag des Krieges. Während dieser 12 Tage konnte ich nicht glauben, was sich ereignete, voller Verzweiflung wurde ich endlos zwischen Hoffnung und Glauben hin und her gerissen. Wenn ich mit meinen Freunden und Verwandten Kontakt hatte, insistierten sie, dass ich Kyiv für einen sicheren Ort verlassen sollte, solange es möglich wäre.

Diese Tage!  Alles erschien mir nicht wirklich zu sein.... So, als ob Du einen Alptraum hättest und überhaupt nicht mehr daraus aufwachen könntest, …. wenn es endlich doch aufhörte!   … . ach! Aber jetzt nicht!

Und was geschieht gerade in diesem Moment?  Bei jeder Sirene rennst du in den Bomben-Schutzraum. Panzer stehen in der Stadt. Täglich weniger.

Die Befestigungsbauten der örtlichen Verteidigungskräfte erscheinen neben deinem Wohnhaus. Und mit jeder Explosion erwartest du, dass du vielleicht

nirgends mehr wohin zurückkehren kannst. Und vielleicht ist keiner mehr da, der zurückkehren kann.  Du schaust neuen Realitäten ins Gesicht:

Jetzt lebst du, in dieser Minute, die nächste könnte nicht mehr sein...

Von den ersten Kriegstagen an, lebten meine Verwandten (Mutter, Schwester mit zwei Neffen) und nahe Freunde und Freundinnen mit Kindern

unter Besatzung, weil meine Heimatstadt sehr nahe der Grenze zur russischen Förderation liegt. Bis zu diesem Tag leben sie unter der illegalen, gewalttätigen Macht eines fremden Landes. Seit dem 7. April 2022 habe ich nicht mehr mit ihnen kommunizieren können, weil es keine Verbindung gibt. Als ich das letzte Mal mit ihnen sprach, waren Wasser und Elektrizität abgeschaltet, dann war die Verbindung abgebrochen.

Ich sammelte Stück um Stück durch alle nur möglichen Kanäle Informationen, was mit ihnen passiert. Mein Herz bricht, weil ich weiß, dass es nicht nur große Schwierigkeiten bezüglich der Nahrung gibt, sondern auch des Wassers! Ich bin um meine Mutter sehr in Sorge. Sie hat schwere Gesundheitsprobleme, und ich weiß, dass ihre Medikamente zu Ende gehen. Ich kann ihr keine senden. Ich kann nicht mit ihr sprechen und nicht ihre müde, so liebe Stimme hören. Wenn ich ihre Stimme hören könnte, wüsste ich, wie es ihr geht, und wie sie sich fühlt.

Wenn ich mich traurig und schweren Herzens fühle, dann hörte ich ihren Geschichten zu, wie sie den Tag verbrachte, mit wem sie sprach, wer zu ihr kam, und über was sie miteinander sprachen.

Der Krieg beraubt mich der Möglichkeit, heimatliche Stimmen zu hören und Gesichter, die meinem Herzen nahe sind, zu sehen.

Nun lebe ich in einer ruhigen gemütlichen Stadt Garmisch-Partenkirchen. Aber die Entscheidung, meine Heimat zu verlassen, meine geliebte Stadt Kyiv, wo ich eine Menge toller Leute traf, die Stadt, die mir wunderbare Freunde gab, die für immer in meinem Herzen bleiben... war sehr schwierig für mich. Ich nahm mir vier Tage Zeit, um eine klare Entscheidung zu treffen.

Aus Geschichten hörte ich, dass der Weg schwierig und weit sein würde. Auf dem Bahnhof waren so viele Menschen, dass es unmöglich war, gleich in den Zug zu kommen. Die Leute mussten ihre Koffer und Käfige mit ihren Heimtieren auf dem Bahnsteig stehen lassen. Das war sehr traurig und eine sorgenvolle Aussicht. Meine Reise begann am 7. März. Einen Rucksack mit Dokumenten tragend und mit meinem kleinen Hund ging ich zum Bahnhof. Ich schaffte es, einen Zug nach Lviv zu bekommen. Von dort ging meine Route durch Polen bis Deutschland. Ich gebe zu, dass ich sehr glücklich war, in den Zug zu kommen.  Mich überkam das Gefühl, dass Menschen vergaßen, menschliche Wesen zu sein, und dass sie ihre menschlichen Qualitäten verloren hätten. Während des Eroberns des Zuges waren da keine Kinder und schwangere Frauen und überhaupt: Frauen, Frauen …!!! Die Folge war eine Menge am Zugwagen, so, dass es möglich erschien, sein Leben zu verlieren, bevor man in den Zug hineinkam. Leute mit verrückten Augen, verzerrten Gesichtern, schreiende Kinder!... An einem gewissen Punkt kapierte ich, dass sie mich hinausdrängten, und ich den Zug nicht erreichen würde.  Aber dann quetschten sie mich so sehr und begannen, mich mit der Menge voranzutreiben, dass ich keine Luft mehr bekam und aus der Menge wegwollte.

Aber ich konnte nicht, fühlte mich wie verscheucht und verloren und versuchte, nicht in Panik zu geraten.

Es waren so viele Leute, dass eine Menge von ihnen stehen musste, oder sie 12 Stunden lang auf ihren Koffern saßen.

Ich erreichte Lviv um 4 Uhr am Morgen und geriet in eine Schlange für einen Zug, von dem man annahm, dass er mich in die polnische Stadt Przemysl

brachte. Ich stieg in diesen Zug um 3 Uhr am Nachmittag, 10 Stunden in einer Schlange stehend. Ich fühlte mich so, als ob eine Wende nicht mehr einträfe. Die Entfernung von Lviv bis Przemysl ist kurz, aber nachdem der Flüchtlingszug nicht fahrplanmäßig fuhr, kam ich um 7 Uhr am Abend an.

Um 10 pm nahm ich den Zug nach Berlin und dann den nach München und erreichte Garmisch-Partenkirchen um 7 Uhr, am Abend, am 9. März.

Ich möchte mich bei allen Leuten bedanken, deren Namen ich niemals kennen werde, die mir geholfen haben und fortfahren, vielen von meinen

Mitbürgern auf dieser langen, schwierigen Reise zu helfen!

Aber trotz der Tatsache, dass ich nun weit weg von Bomben-Explosionen bin, meine Familie und Freunde sind noch in Gefahr! Ich weiß nicht, was ihnen zustößt, und wie ich ihnen helfen könnte! Meine Seele ist zerrissen und mein Herz „würgt“ in Tränen, wenn ich Videos von Irpen, Bucha, Mariupo, Izyum-.... und anderen Orte sehe.

In diesen kleineren und größeren Städten war das Leben voll im Gang. Kinder gingen zur Schule und in die Kindergärten, Erwachsene eilten zur Arbeit...,  viele von ihnen werden diese Wege nicht mehr gehen!

Tausende von verkrüppelten Körpern und Seelen!!!

Tausende von zerstörten Schicksalen!

Text: Marina,

Übersetzung von Ukrainisch in Englisch: Anastasia

Interview und Übersetzung von Englisch in Deutsch: Helga Müller-Bardorff M.A.

Tageslosung

Liturgischer Kalender

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Aktueller Feiertag:

24.11.2024 Letzter Sonntag des Kirchenjahres: Ewigkeitssonntag

Wochenspruch: Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen. ( Lk 12,35 )
Wochenpsalm: Ps 126
Predigttext: Ps 126


Der nächste hohe kirchliche Feiertag:

01.12.2024 1. Advent

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Unser Gemeindebrief im Sommer 2022

Loslassen - Voraussetzung für Veränderung

Pfarrerin Irene Konrad
Bildrechte Hanns-Martin Hager

Noah, Abraham, Isaak und Jakob, Josef …. Das Alte Testament ist voll von „Loslass-Geschichten“: Noah muss alles zurücklassen und in die Arche. Abraham wird von Gott aus Haran weggeschickt, Jakob flieht vor seinem Bruder zu seinem Onkel, Isaak zieht wegen einer Hungersnot nach Gerar und Josef wird nach Ägypten verschleppt. Keiner von ihnen macht sich freiwillig auf den Weg.  Aber ohne Abschied kein Neuanfang: Auf dieser Welt gibt es nichts, was wir behalten können.

Musik und Musiker*innen im Sommer und im Herbst 2022

Schmid-Orgel in der Johanneskirche zu Partenkirchen
Bildrechte Martin Dubberke

Chöre und Instrumentalgruppen sind auf regelmäßiges Proben unter guten Bedingungen angewiesen. Dies war in den Coronazeiten nicht möglich und das hat Spuren hinterlassen. Hinzu kommt das Phänomen, dass der Wert der regelmäßigen Arbeit von so vielen Ehrenamtlichen, die für Ihre Gemeinden und die Kirchenmusik erstaunlich viel Zeit und Mühe einsetzen, die sich einer notwendigen Verbindlichkeit ihres Ehrenamts unterwerfen, von vielen Verantwortlichen kaum gesehen oder wenig wertgeschätzt wird - und das in einer Zeit des Verfalls des kirchlichen Lebens!

Loslassen - Müssen

Kreuz an der Johanneskirche in den Farben der Ukraine
Bildrechte Martin Dubberke

Mein Name ist Marina. Ich komme aus einer kleinen Stadt im Osten der Ukraine (Region Kharkiv, Distrikt Kupyansky, Stadt Kovsharovka) , die laufend unter der Besatzung der russischen Föderation steht.

Ich habe lange Zeit in Kyiv gelebt, dort wurde ich vom Krieg, der am 24.2. 2022 begann, am Vorabend meines Geburtstags überrollt.

 

KRIEG

Dieses Wort verband ich in meinem Kopf immer mit Geschichte...! Mit Ereignissen, über die man in Büchern lesen und im Kino Filme sehen konnte.

Loslassen - Gelassenheit aus der Perspektive des Umweltteams

Grüner Gockel - Logo
Bildrechte ELKB

Durch Umweltschutz beugen wir Naturkatastrophen vor. Je mehr Wälder abgeholzt werden, desto mehr ändert sich das Klima. Wenn es immer weniger Bäume gibt, dann kann auch weniger CO2 umgewandelt werden. Die Tiere verlieren ihren Lebensraum. Dürreperioden, Waldbrände und Hurrikane sind die Folgen, die aus der Abholzung entstehen, das bekommen wir ja bereits zu spüren. Es bleibt uns nicht mehr viel Zeit, darüber nachzudenken. Jetzt ist wirklich schnelles Handeln erforderlich.

Loslassen, um anzukommen

Martin Dubberke, 1986 als Student mit seiner KiGo-Gruppe vor der Hochmeisterkirche in Berlin
Bildrechte Martin Dubberke

Und er sprach zu ihnen: „Kommt, folgt mir nach! Ich will euch zu Menschenfischern machen.“ Sogleich verließen sie ihre Netze und folgten ihm nach.

Matthäus 4, 19f

So war das mit den ersten Jüngern. Sie waren Fischer am Galiläischen Meer, lebten ihren Beruf und ihr Leben. Genau das war ihr Lebensplan: Gute und erfolgreiche Fischer zu sein. Doch dann kam Jesus und sagte: „Folgt mir!“ Und sogleich ließen sie alles stehen und liegen und folgten ihm nach.

Sterben als letztes Loslassen

Pfarrerin Birgit Schiel
Bildrechte Pfarrerin Birgit Schiel

Der alte Mann liegt röchelnd im Bett, schwach blickt er aus trüben Augen. Seine Gesichtsfarbe ist grau gelb. Seine Tochter sitzt erstarrt daneben, dann bricht es aus ihr heraus: „Jetzt stirbt er bald!“ Ihr Bruder herrscht sie an: „Sag doch sowas nicht!“ Der Hof hängt dran am Leben des Vaters. Die Sicherheit der Kinder.

Vom Wert des Loslassens: Glaube und Gelassenheit als Lebenskunst

Pfarrerin Uli Wilhelm
Bildrechte Uli Wilhelm

Das kleine Mädchen steht da, die Hand seiner Mama fest umklammert. Da drüben sitzt Papa. Er lockt: „Komm her zu mir. Trau dich. Los!“ Mama bewegt sich nicht. Da lässt die Kleine ihre Hand los. Wackelig und ein wenig taumelnd stürzt sie schwankend auf ihren Vater zu. Der fängt sie lachend auf. Das Wunder ist geschehen: Das kleine Menschlein hat seine ersten selbständigen Schritte gemacht!

Der neue Gemeindebrief kommt...

Pfr. Martin Dubberke
Bildrechte Johannes Dubberke

Liebe Leserinnen und Leser, in Kürze erscheint unser neuer Gemeindebrief, der auch hier auf unserer Internetseite Text für Text erscheinen wird. Dieses Mal steht er unter dem Motto "Loslassen". In den vergangenen beiden Jahren hat sich vieles in unserem Leben geändert. Wir mussten von vielem Gewohnten loslassen. Aber was bedeutet es, wenn wir von Dingen, Gewohnheiten, Orten, Menschen oder Lebensplanungen loslassen oder gar loslassen müssen? Dieser Frage gehen wir in dieser Ausgabe nach.