Achtsamkeit liegt im Trend. Eine schier unüberschaubare Menge an Büchern, aber auch Kursen, Workshops und Seminaren kann man dazu finden. Gespeist ist diese Entwicklung aus unterschiedlichsten Quellen, auch verschiedenster religiöser Strömungen. In der christlichen Tradition gab es schon immer Aufbrüche, die nicht nur theologisches Wissen anreichern oder vermehren, sondern so etwas wie die „Sinnlichkeit“ des Glaubens vertiefen wollten. Die 1909 in Paris geborene Simone Weil hat einen – wie ich finde – bis heute inspirierenden Weg beschritten. Mit einem soliden intellektuellen Hintergrund (Studium der Philosophie, Mathematik und Politikwissenschaft) gibt sie sich mit ihrer starken Sensibilität immer wieder in die konkreten Erfahrungs- und Herausforderungsorte des Lebens. Sie engagiert sich auch in politischen Bewegungen während des spanischen Bürgerkrieges und im Widerstand gegen die nationalsozialistische Besetzung Frankreichs. In einer Art Selbstversuch arbeitet sie als 25jährige über ein Jahr in der Elektroindustrie, in der Metallverarbeitung und schließlich in der Autoindustrie, um die Lebensbedingungen der Arbeiterschaft kennen zu lernen. Simone hat früh ihre Ablehnung eines Fortschrittsoptimismus mit einer Wachstumskritik verbunden. So mahnt sie schon in den 30iger Jahren, dass die Ressourcen unseres Planeten endlich sind. Es ist sehr beeindruckend, wie Simone Weil auch in der unmittelbaren Begegnung von Gewalt und Leid ihren Glauben an die Kraft der Menschlichkeit scheinbar nicht verliert. Als eine Denkerin einer "radikalen Hoffnung" könnte man sie bezeichnen, so war ihr philosophischer Zugang, bei aller nüchternen Sicht auf politische und soziale Konflikte, von einer tiefen mystischen Haltung geprägt. In diesen Augusttagen liegt ihr Todestag, aber ihre Impulse können unsere Achtsamkeit und unseren Glaubensweg noch immer beleben. Ein Zitat, das ich schätze, finden Sie übrigens in unserem Gesangbuch auf der Seite 1077...
shalom ralf j. tikwe