Wenn unsere Enkelkinder bei uns übernachten, muss ich ihnen immer ein Bilderbuch vorlesen. Es heißt: "Kannst du nicht schlafen, kleiner Bär?"
Da leben zwei Bären in einer Höhle. Der kleine kann einfach nicht einschlafen, weil er sich so fürchtet vor der Dunkelheit. Da stellt ihm der große Bär Laternen ans Bett, eine kleine zuerst und dann eine ganz große. Aber selbst beim hellen Laternenschein kann der kleine Bär nicht einschlafen. Er weiß nämlich: die Dunkelheit draußen vor der Höhle ist so groß, dass alle Laternen der Welt sie nicht erhellen könnten. Da tut der große Bär etwas Erstaunliches: Er packt den kleinen Bären und führt ihn hinaus aus der Höhle in die kalte Nacht. Dort nimmt ihn in den Arm und miteinander betrachten sie die Dunkelheit. Die Sterne funkeln und ein großer leuchtender Mond geht auf. "Schön, nicht?", fragt der große Bär. Aber der kleine antwortet nicht, denn er ist eingeschlafen. Tief und fest und geborgen schläft er in den Armen des großen Bären.
Ja, so ist das wohl: Wir müssen unsere Angst erst anschauen, ehe wir zur Ruhe finden. Grund zum Fürchten gibt es ja auch für uns Erwachsene genug: Der Klimawandel. Die Angst vor der Pandemie, auch vor ihren wirtschaftlichen Folgen. Unser Entsetzen über die Situation der Menschen in Afghanistan. Die Sorge um unser Land, in dem Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Rassismus neu aufblühen. Nicht zuletzt die Situation unserer Kirche in einer Zeit, in der das Christentum für viele bedeutungslos zu werden scheint.
Das alles kann einem schon den Schlaf rauben. Manches würden wir am liebsten verdrängen. Nur: das funktioniert nicht. Wir müssen die Dunkelheit anschauen. Wir müssen uns auseinandersetzen mit den Dingen, die wir als schrecklich und unheimlich empfinden. Allein hat vermutlich jeder und jede von uns Angst davor. Dann ist es gut, wenn jemand mitgeht und uns dabei in den Arm nimmt! In unserem Fall nicht ein großer Bär. Sondern Gott selbst: Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen? (Psalm 27, Vers 1) lese ich da. Und: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht; sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. (2. Timotheusbrief Kapitel 1, Vers7). Das tut so gut!
Ich wünsche uns allen gute göttliche und menschliche Begleitung. Dann werden wir als Realisten leben und zugleich träumen können von einer besseren Welt.
Ihre Pfarrerin Uli Wilhelm
Nicht alle Menschen in unserer Gemeinde haben Internet. Wir legen daher in unseren Kirchen ausgedruckte Exemplare aus und falls Sie es einem Nachbarn oder einer Nachbarin mit einem kleinen Gruß in den Briefkasten stecken möchten, können Sie den Handzettel hier runterladen und ausdrucken.