53 Jahre ist er alt, top Ausbildung, leitende Position, lange Berufserfahrung. Die ganze Abteilung, die er geleitet hat, wurde geschlossen. Nein, er hat gut gearbeitet und er wird sicher auch schnell wieder was finden. Das habe ich seiner verzweifelten Frau vor einem halben Jahr auch gesagt. Er selber redet kaum darüber. Wie es ihm geht? Ich weiß es nicht, er sagt ja nichts. Ausschauen tut er jedenfalls nicht so gut.
Ich will jetzt kein Lamento anstimmen, über die allgemeine schreckliche Situation. Mich beschäftigt seine ganz persönliche Lage und wie er damit umgeht. Eine längere gemeinsame Autofahrt hat dann doch noch ein Gespräch ermöglicht. Vor anderen jammern, will er nicht. Man fühlt sich so nutzlos, hat er gesagt. Die brauchen mich halt nicht mehr. Zu alt- das steht zwar nicht auf jeder Absage, aber einmal reicht. Das sitzt tief. Wertlos, abgeschrieben. Man gehört nicht mehr dazu. Aber wir in der Gemeinde, wir sind froh, dass du jetzt so viel mit hilfst. Es ist wirklich toll, was du alles machst.
Ein müdes Lächeln. Das Ehrenamt als Ersatz für einen Arbeitsplatz... wirklich ein schwacher Trost.
Wie schaffe ich es, jemanden dessen Kopf und Herz mit so niederschmetternden Gedanken besetzt sind, spüren zulassen: Du als Mensch bist wichtig, du bist wertvoll. Was du tust, auch wenn du kein Geld dafür bekommst, ist eine wertvolle Arbeit?
Was ist los bei uns, dass nur noch bezahlte Arbeit als Arbeit gesehen wird? Wie kann eine Mutter die 10 Jahre lang Haushalt versorgt und Kinder erzogen hat, sagen: „Ich habe wegen der Kinder aufgehört zu arbeiten?“ Nicht um ein Lamento geht es mir, sondern um Wertschätzung. Wertschätzung all dessen was wir tun, was wir an Gutem tun für uns selber für andere. Was wir an Arbeit leisten und was wir an Ideen und Hoffnungen in uns tragen. Und es geht mir um die Wertschätzung und die Würde eines jeden Menschen.
Einer allein ist ausgeliefert. Nur gemeinsam können wir diese Schieflage ändern. Aber jeder einzelne muss anfangen; einen ersten Schritt tun, bei sich. Ich bin wertvoll, weil ich so bin wie ich bin. Gott schuf den Mensch zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.
Ihre
Pfarrerin Irene Konrad
Nicht alle Menschen in unserer Gemeinde haben Internet. Wir legen daher in unseren Kirchen ausgedruckte Exemplare aus und falls Sie es einem Nachbarn oder einer Nachbarin mit einem kleinen Gruß in den Briefkasten stecken möchten, können Sie den Handzettel.