Ich bin kürzlich als Totschlägerin oder Mörderin bezeichnet worden. Laut Kriminologen sind ja grundsätzlich alle Menschen des Mordes fähig, wenn die Umstände passen. Aber ich bin deshalb so genannt worden, weil ich meine Bedenken bezüglich der Impfung gegen Covid-19 ausgedrückt habe.
Ich wurde sofort gesteinigt, zumindest mit Worten: Impfverweigerer, Corona-Leugnerin, Verschwörungstheoretikerin, meine gesellschaftliche Solidarität wurde in Zweifel gezogen, egoistisch wäre ich sowieso, und den Tod anderen nähme ich ja billigend in Kauf, bei bisher 80.000 Coronatoten in Deutschland.
Ich war geschockt, nicht nur von den Steinen, sondern v.a. von der Aggression hinter diesen Vorwürfen und auch von diesem absoluten, ja totalitären Standpunkt, der alternativlos und nicht diskutierbar war.
Mir fiel Jesus ein: „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Und dann fragte ich mich: Nehmen wir nicht ALLE den Tod anderer billigend in Kauf? 127.00 Menschen jährlich nehmen in Deutschland zumindest ihren eigenen Tod billigend in Kauf, wenn sie eine Zigarette anzünden. 150.000 nehmen beim Aufschrauben der Cola-Flasche einen frühen Herztod in Kauf. Wer den Autoschlüssel in die Hand nimmt, riskiert, einer von 400.000 jährlichen Unfallopfern zu sein. Wer Plastik in irgendeiner Form verwendet, bringt das zukünftige Leben der nächsten Generation in Gefahr. Wer billige Kleidung kauft, nimmt die Umweltzerstörung und menschliche Ausbeutung am anderen Ende der Welt in Kauf. Wer Avocados kauft, unterstützt Drogenkartelle. Wer seine Aktien falsch anlegt, unterstützt Waffenhändler. Wo endet unser Schuld eigentlich?
Ich kam zu dem Schluss: wir machen uns alle schuldig, der Tod umgibt uns überall und viele unserer Alltagsentscheidungen sind nicht dramatisch tödlich wie bei Corona, aber nichts desto trotz tödlich. Und wir nehmen es billigend in Kauf. Und jetzt?
Jetzt sollten wir alle schön unsere Steine einpacken und aufhören, sie auf andere zu werfen. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Wir sind Christen. Bei uns gewinnt das Leben, nicht der Tod, die Vergebung, nicht die Verurteilung. Ihre Pfarrerin, die das Leben billigend von Gottes Gnade erwartet.
Birgit Schiel
Nicht alle Menschen in unserer Gemeinde haben Internet. Wir legen daher in unseren Kirchen ausgedruckte Exemplare aus und falls Sie es einem Nachbarn oder einer Nachbarin mit einem kleinen Gruß in den Briefkasten stecken möchten, können Sie den Handzettel gerne als PDF herunterladen, ausdrucken und weitergeben oder aushängen.