Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als ich mal vor vielen Jahren in Berlin-Spandau auf dem Bahnhof stand. Ich war auf dem Weg nach Havelberg, wo ich einen Gottesdienst hatte. Die ganze Zeit ging vor mir ein Mann auf und ab und schließlich sprach er mich an: „Sind hier bei uns im Dekanat neu? Ich habe Sie bei uns noch nie gesehen.“ Der Mann hielt mich für einen katholischen Pfarrer, weil ich ein Collarhemd trug. Als ich ihm sagte, dass ich nicht der Neue im Dekanat sei, antwortete er: „Dann sind Sie sicherlich Lutheraner. Ich find’s gut, dass die Lutheraner Kollar tragen als Ausdruck der ökumenischen Verbundenheit.“
Mir gefiel, was der Mann sagte. Das Collarhemd ist für mich etwas, was mich ansprechbar werden lässt. Aber ich merke natürlich auch, dass das Collar meine eigene Haltung in der Öffentlichkeit beeinflusst. Da, wo ich manchmal anders reagieren würde, erinnert mich das Kollar, worauf ich zu achten habe. Und das gefällt mir auch.
Aber was ist nun so ein Collarhemd, so ein Hemd mit einer Kalkleiste, wie der Volksmund den weißen Kragen nennt.
Wo kommt das Collarhemd eigentlich her und welche Bedeutung hat es? Witzigerweise kommt dieses Hemd aus dem angelsächsisch-protestantischen Raum. Es kam auf, um sich von der Alltagsmode abzuheben und als Pfarrer im öffentlichen Raum erkennbar werden zu lassen. Das Collarhemd ist also protestantischen Ursprungs. Im 19. Jahrhundert haben dann katholische Geistliche das praktische Collarhemd für sich entdeckt, weil es einfach bequemer als die damals noch übliche Soutane war.
Und was geschah dann? Genau? Das Collarhemd hatte bei den katholischen Kollegen einen solchen Erfolg, dass heute alle glauben, dass das Collarhemd, das auch Priesterhemd genannt wird, eine katholische Erfindung ist. Doch wer hat's erfunden? Genau, die Protestanten. Und wenn ich jetzt an den Mann vom Bahnhof in Spandau denke, der Schulleiter einer katholischen Schule war, könnte ich nun sagen, dass das Collarhemd eigentlich die ökumenische Verbundenheit der katholischen Kollegen mit den protestantischen Kolleginnen und Kollegen zum Ausdruck bringt.
Wer hätte es gedacht? Das Collarhemd ist mal wieder zutiefst protestantisch und zugleich absolut ökumenisch. Und das ist gut so. Es macht uns im Alltag als Pfarrer oder Pfarrerin erkennbar und damit auch ansprechbar. Das Collarhemd ist nicht nur ein genialer Marketingtrick und Erfolg, sondern für mich auch in erster Linie immer ein Gesprächsangebot.
Pfr. Martin Dubberke