Eigentlich wäre ich kommende Woche mit meinen beiden Söhnen nach Berlin gefahren, um meine Mutter zu besuchen und mit ihr ihren 88. Geburtstag zu feiern. Gesehen haben wir uns zum letzten Mal an ihrem 87. Geburtstag. Alle weiteren Pläne, sie zu besuchen, sie zu sehen, sie in die Arme zu schließen, sie zu herzen hat in diesem Jahr dieses kleine miese, fiese Corona-Virus COVID-19 zu nichte gemacht.
Das tut weh. Und ich glaube, dass das vielen von Euch, genauso geht. Wir haben seit März eine Berg- und Talfahrt der Gefühle hinter uns, der Ängste und auch der Hoffnungen. Auch für uns als Kirchengemeinde ist das keine einfache Zeit. Leben wir doch davon, Gemeinschaft ganz nah zu erleben. Miteinander Gottesdienste zu feiern, beim Seniorenkaffee zu ratschen, bei der Jugend abends gemütlich auf den abgewetzten Sofas im Jugendhaus unserer Gemeinde zusammenzukommen, zu lachen, Spaß zu haben, Party zu machen. In diesem Jahr ist alles anders.
Nun werden wir in wenigen Tagen in den zweiten Lockdown gehen, der den Zusatz „light“ trägt. Wieder sind Cafés, Restaurants, Kinos, Theater, Konzertsäle geschlossen. Wieder müssen auch wir unsere vorsichtigen Angebote in der Gemeinde runterfahren, weil uns das Wohl unserer Nächsten am Herzen liegt. Wem nützt es, wenn ich gemütlich mit anderen einen Kaffee trinke und dann dieses miese, fiese Virus versucht, mir den Gar auszumachen?
Wir hatten uns gerade an die frohe Leichtigkeit des Sommers gewöhnt und nun kommen ganz andere Herbststürme als wir es sonst gewohnt sind. So wie sich das Laub an den Bäumen rot färbt, so hat sich in diesem Herbst die Corona-Ampel vom hoffnungsvollen Grün über das Gelb ins Rot und an vielen anderen Orten bereits ins Dunkelrot gefärbt.
Wie dankbar bin ich, dass wir unsere Gottesdienste feiern dürfen, gehen wir doch in unserem Kirchenjahr gerade auf wichtige Tage zu. In dieser Woche feiern wir den Reformationstag. Wir erinnern uns daran, wie Martin Luther aufgebrochen ist, um die Kirche zu reformieren und damit mal so ganz unter der Hand auch die Gesellschaft verändert hat, Verantwortung auf immer mehr Schultern verteilt wurde, so dass deutlich wurde, dass jeder von uns Teil hat am Gelingen gemeinsamen Lebens. Heute erlebe ich mehr und mehr, dass das verloren geht. Menschen, die sich selbst zuerst sehen und dann irgendwann einmal den anderen. Die Bewegung, die damals von Luther ausging, haben auch wir eigentlich noch in unseren Genen. Es geht darum, wieder die Verantwortung füreinander und miteinander zu stärken. Das bedeutet nicht einfach Augen zu und durch, sondern auch die Ängste der anderen zu sehen, zu fühlen, ernst zu nehmen und ihnen zu begegnen.
Vor uns liegen der Buß- und Bettag, der Ewigkeitssonntag und auch die Adventszeit. Eine Zeit, die uns zurückblicken lässt, in der wir uns angesichts unserer eigenen Vergänglichkeit fragen dürfen, was wir selbst falsch gemacht haben, wo wir wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben, wo wir umkehren müssen.
Ohne den bevorstehenden Lockdown theologisch mit allzu viel Bedeutung aufladen zu wollen, macht er doch deutlich, dass nicht nur der Herbst, sondern auch das Verhalten der Menschen dazu beigetragen hat. Wir haben es in der Hand, und Gott hat uns mit seinen Geboten, seiner Liebe bestens dafür ausgestattet, ihm gegenüber und damit auch seiner Schöpfung gegenüber verantwortlich zu leben und dafür einzutreten. Also, ganz praktisch unseren Glauben im Leben zu bekennen.
Herzlichst
Ihr/Euer
Pfr. Martin Dubberke
Nicht alle Menschen in unserer Gemeinde haben Internet. Wir legen daher in unseren Kirchen zu jedem Erscheinungstag ausgedruckte Exemplare in unsere Kirchen und falls Sie es einem Nachbarn oder einer Nachbarin mit einem kleinen Gruß in den Briefkasten stecken möchten, können Sie es sich gerne als PDF herunterladen und ausdrucken.