ANgeDACHT - Masken

Pfarrer Martin Dubberke mit Mund-Nasen-Bedeckung
Bildrechte Martin Dubberke

Na, haben Sie mich wiedererkannt? – Wie gut kennen Sie meine Augen? Ab morgen ist Maskenpflicht und dann schaut man sich wieder mehr in die Augen. Aber eigentlich hätte es aus Gründen der Nächstenliebe eine Selbstverständlichkeit sein müssen, schon vorher eine solche zu tragen. Die Maske, die ich trage schützt andere und die Maske, die der andere trägt, schützt mich. So einfach kann Nächstenliebe funktionieren. Also, eigentlich alles ganz einfach.  Und das Ganze geht noch weiter. Die Maske, die ich gerade getragen habe, hat Traudi für mich genäht. Traudi ist eine tolle Frau aus unserer Gemeinde, die inzwischen mehr als siebzig solcher Community-Masken genäht und verschenkt hat. Auch das ist Nächstenliebe. Und wie sagte sie? „Du glaubst gar nicht, wie schnell die zu nähen sind.“ Und ich kenne inzwischen ganz viele, die aus der Not eine Tugend gemacht haben und zu Hause für Freunde, Nachbarn und auch ganz Fremde solche Masken nähen. Und ich habe das Gefühl, dass jeder jemanden kennt, der ihm eine nähen kann oder es auch selbst schon ausprobiert hat.

Irgendwie erinnert mich das an meine Jugend. Da wurde immer das Lied vom Friedensnetz gesungen. Das Lied macht deutlich, dass dem Frieden der Egoismus, die Ichzentriertheit, das im Mittelpunktstehen dessen, was mir allein nützt, das Ausblenden des anderen im Weg steht. Und am Ende des Liedes wird klar, dass nur dann Frieden sein kann, wenn wir alle miteinander gewissermaßen am gleichen Strang ziehen und das Gemeinsame, das Gemeinwohl im Mittelpunkt steht. Das heißt nicht, dass ich damit meine Freiheit, meine Individualität aufgebe. Das geschieht auch mit den Masken nicht. Schauen Sie einfach mal, mit wieviel Liebe und Individualität viele der Masken gemacht worden sind.

Das Friedensnetzlied erinnert uns daran, dass wo kein Friede ist, Krieg ist. Und im Moment ist es ja auch so. Wir sind im Grunde genommen im Krieg gegen ein mieses, fieses Virus. Und so, wie das Friedensnetzlied die Sehnsucht nach dem Frieden besingt, so haben wir heute die Sehnsucht nach der Zeit nach dem Virus, nach der sogenannten Normalität. Doch was ist die Normalität?

Wenn das alles mal vorüber sein wird, und wir die Masken nicht mehr tragen müssen, werden wir uns wohl auch verändert haben. Wir tragen ja immer Masken. Auch hinter den Community-Masken tragen wir zuweilen Masken. Masken, die unsere Angst verbergen sollen. Masken, mit denen wir vor anderen unser wahres Ich verbergen wollen. Masken, die darüber hinwegtäuschen sollen, dass ich innerlich vollkommen ausgebrannt bin, aber nach außen hin funktionieren soll.

Wenn wir die Masken in der Post-Corona-Zeit ablegen, wird es nicht wie nach Maschkera oder Fasching sein, wo wir mal für ein paar tolle Tage aus der Normalität ausbrechen wollen, jemand anders sein wollen und danach dann wieder fröhlich ein Jahr lang die Normalität ertragen.

Diese Masken können zu einem äußerlichen Symbol des Zusammenhalts, der Nächstenliebe, der Achtung vor der Unverletzlichkeit des Anderen, der gemeinsamen Verantwortung werden, der Aufmerksamkeit und Fürsorge für den anderen werden und auch der Hoffnung. Sie können zu einem Symbol unserer Sehnsucht nach gemeinsamer Verantwortung in unserer Gesellschaft, unserer Welt und Zusammengehörigkeit werden.

In den letzten Tagen habe ich mit Blick auf die Masken immer wieder das Bild einer Raupe gehabt. Wenn die Zeit soweit ist verpuppt sie sich und dann schlüpft nach einer Weile aus der Raupe ein schöner Schmetterling. Das ist das, was man eine Metamorphose nennt?

Welche Metamorphose werden wir durchmachen?

Vielleicht können wir, wenn wir in fünf, zehn oder zwanzig Jahren in unserem Wäscheschrank eine solche Maske wiederfinden, sie etwas verklärt als ein Symbol des Wandels zum Guten in unseren Händen halten und sagen: Schau mal, so hat alles mal angefangen.

Ich weiß, dass diese Zeit nicht einfach ist. Für die einen, weil sie nicht arbeiten können und sich die Frage nach ihrer weiteren Existenz stellen, für die anderen, weil sie gerade noch mehr arbeiten. Oder diejenigen, die jetzt niemanden haben und alleine sind oder diejenigen, die sich jetzt manchmal wünschen, alleine zu sein, weil sie die Kombination von Homeoffice und Homeschooling mit den lieben Kindern an den Rand ihrer Nerven bringt.

Und da wirkt ausgerechnet das Psalmwort, das dem Sonntag Misericordias seinen Namen gegeben hat, wie ein Energieschub für die Hoffnung und das Durchhalten:

„Die Erde ist voll der Güte des Herrn.“
Misericordias Domini 
Psalm 33, 5b

Bleibt behütet wunderbar!

Euer/Ihr

Pfarrer Martin Dubberke

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