"Er weckt mir selbst das Ohr", heißt es in einem Morgenlied unseres Gesangbuchs. Mir hat dieser Satz schon immer gefallen. Die Vorstellung finde ich witzig, dass jemand meine Ohren aufwecken kann, damit ich die Ohren gespitzt habe, ganz Ohr sein und mir vielleicht sogar etwas hinter die Ohren schreiben kann. Man kann aber auch auf dem Ohr liegen oder nur mit halbem Ohr hinhören. Es gibt Leute, die es faustdick hinter den Ohren haben, Schlitzohren - und andere, die übers Ohr gehauen worden sind. Manche halten die Ohren steif, andere lassen sie hängen und einige sind noch grün hinter den Ohren.
Allein schon diese vielen Redensarten machen deutlich: Das Ohr hat es in sich! Äußerlich ähnelt es der Form eines Embryos. Die Akupunktur macht sich das zunutze: Im Ohr ist sozusagen der ganze Mensch vertreten und erreichbar. Auch innerlich ist das so: Eine warme Stimme oder tröstende Worte, eine schöne Melodie, das sanfte Rauschen des Windes oder der Gesang einer Amsel mitten im Verkehrslärm – das kann tief und heilsam mitten in unsere Seele dringen.
Im Altertum hat man gedacht, dass sich der Gehörnerv in der Tiefe des Gehirns auf drei Kanäle verteilt, wodurch der Mensch fähig sei, auf verschiedenen Ebenen zu hören: Ein Gehörgang war für normale Alltagsgeräusche und Gespräche reserviert; einer für alles Lernens- und Wissenswerte. Der dritte Gang war sozusagen eine Art "Seelenkanal", über den manches direkt ins Herz dringt. Vielleicht steckt diese Vorstellung hinter dem in der Bibel häufigen Aufruf: "Wer Ohren hat, der höre". Es geht um ein inneres Hören, ein Hören mit dem Herzen. Es geht um Achtsamkeit und innere Offenheit für Momente, in denen uns Gott ansprechen will.
Am 16. Mai begehen wir den Sonntag „Exaudi“. Dieser Name bedeutet: „Höre!“ und stammt aus dem Satz: „Herr, höre meine Stimme!“ (Psalm 27,7).
Die Kommunikation, das Zuhören-Können, ist also das Thema dieses Sonntags. Ziemlich aktuell, finde ich. Möge Gott Gehör finden bei uns. Und wir bei Gott.
Ihre Pfarrerin
Uli Wilhelm
Nicht alle Menschen in unserer Gemeinde haben Internet. Wir legen daher in unseren Kirchen ausgedruckte Exemplare aus und falls Sie es einem Nachbarn oder einer Nachbarin mit einem kleinen Gruß in den Briefkasten stecken möchten, können Sie den Handzettel.